Dem Corona-Virus auf der Spur…

Dem Corona-Virus auf der Spur…

Sandra Spicker, 12. April 2021

In der Kanalisation verstecken sich so einige Informationen. Durch das Abwasser erfahren wir nicht nur etwas über unser Konsumverhalten, sondern auch über unseren Gesundheitszustand. Nun haben es sich österreichische Forscher:innen zur Aufgabe gemacht, Corona-Viren und deren Mutationen im Abwasser zu untersuchen. Prof. Norbert Kreuzinger vom Institut für Wassergüte und Ressourcenmanagement der TU Wien ist Teil des Projektkonsortiums „Coron-A“ und erklärt, warum sich der genaue Blick in den Kanal lohnt.

 

Herr Prof. Kreuzinger. Sie arbeiten mit Kolleg:innen der MedUni Innsbruck und Universität Innsbruck, der AGES und dem Umweltbundesamt zusammen. Was möchten Sie mit dem Projekt erzielen?

Kreuzinger: Wir haben „Coron-A“ als Forschungsprojekt gestartet, um der Frage nachzugehen, inwieweit Abwasser als Früh- bzw. Entwarnsystem geeignet ist, aber auch für ein Prognosemodell im Hinblick darauf, wie sich die Zahlen weiterentwickeln können. Wir haben schon sehr bald gesehen, dass wir die Signale im Abwasser früher bekommen, z.B. dass wir einen Anstieg schon früher sehen, bevor die Erkrankungszahlen in der Statistik steigen. Wir haben versucht, ein Netz über Österreich zu spannen und in jedem Bundesland 3-4 Kläranlagen anzuschauen. Daraus erhalten wir Datenmaterial für unsere wissenschaftlichen Fragestellungen und können parallel dazu auch schon gewisse Entwicklungen in Österreich wiederspiegeln.

 

Nun werden Abwasserproben von bestimmten Kläranlagenstandorten im ganzen Land genommen. Wie genau werden diese Proben gezogen?

In Österreich müssen die Kläranlagen vom Gesetz her nachweisen, dass sie ihren Reinigungszielen und ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen. Sie müssen repräsentative Tagesmischproben entnehmen. Aus dem kontinuierlich zufließenden Abwasser wird regelmäßig ein kleiner Teil entnommen und über den gesamten Tag gesammelt. Wir nehmen dieselben Zulaufproben für unsere Untersuchung. Je nach Fragestellung nehmen wir Proben an der einen Kläranlage täglich, bei anderen wöchentlich und wieder andere werden dreimal in der Woche beprobt.

 

Nachdem die Probe gezogen wurde, kommt sie ins Labor. Was passiert dort im Detail?

Im ersten Schritt werden Grobstoffe, wie etwa Klopapierfasern, durch Zentrifugation abgetrennt. Die Viren sind kleiner als die meisten anderen Partikel, daher werden sie nicht sedimentiert und bleiben weiter in Schwebe. Im zweiten Schritt werden diese in Schwebe gehaltenen Partikel abzentrifugiert, sodass man ein kleines Pellet erhält, in dem die Viren-Partikel enthalten sind. Dieses wird aufgelöst und das genetische Material extrahiert. Die Zentrifugation passiert in den Laboren der MedUni, Uni Innsbruck oder an der TU Wien im Arsenal. In Wien erfolgt dieser Prozess in der Zwischenzeit auch direkt in der Kläranlage vor Ort. Im Anschluss erhalten wir das Ergebnis der Zentrifugation und führen die RNA-Extraktion und den PCR-Test durch.

Probenaufbereitung im Labor © Christian Houdek

 

Können Sie kurz beschreiben, wie komplex die Probenaufbereitung im Labor ist?

Bei vielen Routineproben rentieren sich inzwischen sogenannte Extraktionsroboter, die am Ende eine fertige, aufkonzentrierte, saubere RNA liefern. Diese wird für die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) oder die Sequenzierung verwendet. Das reduziert den Aufwand natürlich deutlich. Wir haben im Laufe der Zeit auch die Methoden adaptiert und optimiert und wo es geht, diese Robotik-Systeme eingesetzt.

 

Wie können aus den Proben Mutationen nachgewiesen werden?

Es gibt PCR-pre-screening Tests, also Schnelltests, die gezielt nach dem Vorhandensein von bestimmten Mutationen auswerten. Diese Vortests geben die erste Information, ob man eine bzw. mehrere Mutationen in der Probe hat. Eine genaue Aussage liefert aber erst die Sequenzierung. Ob die RNA von einer Human- oder Abwasserprobe kommt, ist der Sequenziermaschine egal. Der große Unterschied liegt darin, dass in einer Humanprobe in der Regel eine Mutation enthalten ist. In den Abwasserproben sind alle möglichen Varianten vorhanden, die Menschen ausscheiden. Das heißt, in der Probe überlagern sich alle Informationen und man benötigt im Hintergrund unterstützend eine entsprechende Biostatistik.

 

In den Kläranlagen stecken neben dem Sars-Virus auch viele andere Informationen über unsere Gesellschaft. Warum ist der genaue Blick ins Abwasser Ihrer Meinung nach so wichtig?

In der Medizin erkennt man das Problem meist erst dann, wenn bereits viele Personen erkrankt sind. Im Abwasser bahnt sich das aber schon deutlich früher an. Die Methoden sind mittlerweile so sensitiv, dass die Information im Abwasser abgelesen werden kann, sobald einer aus 20.000 Personen erkrankt ist. Diese und ähnliche Analysen funktionieren auch hinsichtlich des Konsums von Herz- und Kreislaufmedikamenten oder können in Bezug auf Drogenkonsum eingesetzt werden.

 

Was bedeutet es konkret, wenn man einen Viruspartikel im Abwasser eines bestimmten Einzugsgebietes gefunden hat – wie wird dann weiter vorgegangen?

Bei den Ländern, die detaillierte Informationen liefern, sind die Gesundheitsbehörden direkt eingebunden. Das heißt, sie erhalten Informationen, wie viele Prozent der z.B. britischen Mutation im Abwasser gefunden wurde und ob ein steigender bzw. fallender Trend zu beobachten ist. Diese Informationen werden dann direkt an als Basis für Entscheidungen im Pandemiemanagement herangezogen.

 

„Das Abwasser ist ein Spiegel unserer Gesellschaft“

 

Im Moment handelt es sich noch um ein Forschungsprojekt, aber ist es realistisch, dass Abwasseranalysen in Zukunft auf alle Kläranlagen ausgeweitet werden?

Es gibt ein Schreiben der EU-Kommission, das alle Mitgliedsstaaten dazu auffordert, Abwassermonitoring als zentralen Bestandteil des Epidemie-Managements zu etablieren. Das wird international als sinnvolle Sache anerkannt. Österreich ist hier Vorreiter in der Implementierung.

 

Wie geht es jetzt weiter mit Coron-A?

Nun steht eine Konsolidierung an – was haben wir erreicht, wo haben wir schon über das eigentliche Projektziel hinausgearbeitet, was sind die neuen Fragestellungen und wie können wir uns diesen neuen Fragestellungen widmen.


Nähere Infos zum Projekt: coron-a.at