DI Dr. Kurt Hofstädter, MBA

DI Dr. Kurt Hofstädter, MBA

Ein Berufsleben dauert in der Regel 42 Jahre – ist also kein Sprint, sondern eher vergleichbar mit einem Marathon

Dipl.-Ing. Dr. Kurt Hofstädter, MBA, Leiter Digital Factory CCE Siemens AG Österreich im Gespräch mit Silke Cubert

Loyalität und Neugierde sind eine gute Basis um in einem Unternehmen Karriere zu machen. Für den stetigen Aufstieg empfiehlt sich, zusätzlich zu einem starken Willen, Kommunikations- und Teamfähigkeit mitzubringen. Grundvoraussetzung in einem Konzern wie Siemens sind natürlich ein tiefes technisches Verständnis, das an der TU Wien ideal vermittelt wird und die Offenheit, sich den wechselnden Anforderungen der Wirtschaft zu stellen.

Ihre derzeitige Position – Leitung Digital Factory CEE bei der Siemens AG Österreich – was dürfen sich unsere Mitglieder darunter vorstellen?

Siemens, ein weltweit agierendes Unternehmen mit Niederlassungen auf allen Kontinenten, hat eine Matrixorganisation und ist in Divisionen (wie z.b. Mobilität, Industrie, Energie, Gebäudetechnik) eingeteilt. Die Digital Factory ist ein sehr wichtiges Zukunftsthema und wird in meiner Division, geographisch für Österreich und 18 weitere Länder, vom Bodensee bis zum Kaspischen Meer, verantwortet. Die Internationalität, respektive Kundenbesuche und das Gespräch mit Mitarbeiter_innen Vorort, stellt eine äußerst positive Ergänzung meines Berufsbildes dar.

Wie würden Sie einen spannenden Arbeitstag in Ihrer momentanen Funktion beschreiben?

Ein idealer Arbeitstag beginnt vormittags mit einem Kundenbesuch – beispielsweise in Kombination mit dem Hochfahren eines Automobilwerks – stellen Sie sich vor, man sieht 800 Robotern zu, die synchron beginnen ein Auto zu produzieren – fantastisch. Anschließend ein Gespräch mit dem Kunden über die Zukunft der Digitalisierung und am Nachmittag einen Vortrag an der TU Wien zu genau diesem Thema. Besonders schön ist es zu sehen, mit welcher Leidenschaft und welchem Engagement auch junge Techniker_innen für dieses Thema brennen.

Sie haben bereits vor Abschluss des Studiums der Elektrotechnik bei Siemens begonnen zu arbeiten – heute ist das bei den jungen Techniker_innen sehr verbreitet, führt jedoch manchmal erst über Umwege zum Ziel. Wie ist das bei Ihnen gelaufen? Würden Sie es wieder so machen?

In meinem letzten Semester hatte ich die Möglichkeit für Siemens am Institut für Regelungstechnik eine Diplomarbeit über Leistungselektronik zu verfassen. Besonders motivierend war, dass die Ergebnisse meiner Arbeit bei Siemens umgesetzt und als Patent geschützt wurden. Ich konnte in diesem Labor der Forschungs- und Entwicklungsabteilung direkt weiterarbeiten, ehe ich ein Angebot von der Prozessrechnerentwicklung bekommen habe.

Meine Empfehlung für Studierende – nutzen Sie die Möglichkeit Diplomarbeiten gemeinsam bzw. für Unternehmen zu verfassen – denn dies bietet einen guten Einblick, Sie haben die Möglichkeit sich zu präsentieren und aus der Praxis zu lernen. Ich selbst würde es unbedingt wieder so machen.

Wenn man Ihren Lebenslauf liest, erscheint die Entwicklung sehr zielstrebig und die Karriereentwicklung erfolgte Schlag auf Schlag – war es wirklich so „einfach“ oder gab es auch Rückschläge?

Ganz so einfach war es natürlich nicht. Häufig sind es nicht die großen Erfolge die ein Berufsleben kennzeichnen, sondern Kleinigkeiten. Gerade die ersten Projekte als junger Abteilungsleiter in der Prozessrechentechnik waren herausfordernd. Theoretisch gut gebildet, beim praktischen Umsetzungsvermögen durchaus noch mit Potenzialen behaftet, arbeitete ich mich in Projekten ein. Nicht immer waren diese von Erfolg gekrönt. Gerade zu Beginn ist es hilfreich, Fragen zu stellen und die Erfahrungen des Unternehmens und der KollegInnen zu nützen. Ihr Ziel muss es sein, auf einen gigantischen Erfahrungsschatz zurückzugreifen und trotzdem Ihre eigenen Wege zu gehen.

Lebenslanges Lernen ist Ihnen wichtig, das zeigen auch die Weiter- und Zusatzausbildungen in Ihrem Lebenslauf. Bei der Exkursion des TU Wien alumni club ins Mobility Werk in der Leberstraße haben Sie ganz nebenbei erzählt, dass Sie die Ausbildung haben, um eine Straßenbahn lenken zu dürfen. Wie kommt das?

Einige Jahre lag die Mobility in meinem Verantwortungsbereich und im Zuge von Kundengesprächen wurde mir angeboten einen Tag lang mit einer Straßenbahn zu fahren. Mit einem Probeführerschein, einem Fahrlehrer und als Sonderfahrt gekennzeichnet, durfte ich auf einer Strecke in Oberlaa selbst eine Straßenbahn lenken. Eine großartige Erfahrung – stellen Sie sich vor, Sie fahren mit einer Straßenbahn in eine, mit Personen gut gefüllte Plattform ein, da geht der Herzschlag schon hinauf.

Hand aufs Herz, welchen dieser beiden Jobs empfinden Sie als verantwortungsvoller?

Im Management trägt man sehr große Verantwortung für das Unternehmen und deren Mitarbeiter_innen. Bei einem Straßenbahnfahrer entscheiden Sekunden der Unaufmerksamkeit über Menschenleben – das ist eine enorme Verantwortung und ich habe große Hochachtung vor diesen Menschen.

Gemäß Ihrem Lebenslauf haben Sie alle fünf bis sechs Jahr die Position im Unternehmen gewechselt – die Anzahl Ihrer Mitarbeiter_innen ist stetig gewachsen – wie schafft man es, diesen steigenden Anforderungen gerecht zu werden?

Die Ausbildung an der TU Wien hat mir eine hervorragende Basis gegeben, es ist wichtig, sich als Techniker_in auch der Ergebnisverantwortung von Projekten bewusst zu werden. Juristische und wirtschaftliche Grundkenntnisse sind hierfür sehr vorteilhaft.

Führungskräfteseminare sind wichtig um Grundprinzipien zu erlernen, aber viel bedeutender ist die Arbeit mit Menschen. Mein Tipp an junge Techniker_innen an dieser Stelle: Ehe Sie noch ein weiteres tiefergehendes Seminar zur technischen Qualifikation besuchen, engagieren Sie sich in Vereinen oder der Hochschülerschaft. Hier geht es darum, ausschließlich durch Motivation der Anderen Ziele gemeinsam zu erreichen. Vereine, politische Gruppierungen oder die HTU müssen Ziele erreichen, ohne jede Bonifikation oder Sanktion – diese Fähigkeiten werden dort ideal geschult und in der Berufswelt dringend benötigt. Ich war schon immer Klassensprecher, Schulsprecher, Soldatensprecher und später beim Übergang ins Berufsleben war es besonders wichtig sich in Netzwerken zu engagieren.

Eine erste ideale Anlaufstelle ist der TU Wien alumni club – denn so schafft man es, relativ unkompliziert mit Studienkollegen auch nach Jahren in Kontakt zu bleiben. Beim Berufseinstieg ist ein firmeninternes Netzwerk wichtig, um leichter Gesprächs- und Kooperationspartner zu finden. Später ist es vorteilhaft externe Netzwerke aufzubauen, einen Eintritt bieten hier die Mitarbeit in Fachverbänden oder der Industrieellenvereinigung. Eine klassische Win-Win Situation – Sie erhalten fachlichen Input und bieten Ihre Mitarbeit in Unterausschüssen an. Diese Kontakte zu Wissensträgern erleichtern Ihre berufliche Zukunft.

Als Leiter einer Betriebseinheit ist Ihre Work-Life Balance bestimmt sehr stark in Richtung „work“ verschoben – wie schaffen Sie es trotzdem in Balance zu bleiben?

Balance ist tatsächlich von großer Bedeutung. Sport, meine Familie und Freunde sind mir sehr wichtig. Wirklich abschalten kann ich bei sportlichen Aktivitäten, die volle Konzentration erfordern. Also beispielsweise bei herausfordernden Skitouren im Silvretta Gebiet oder dem Großvenediger.

 

Quelle:
Bulletin | Das Magazin des TU Wien alumni club, Ausgabe Nr. 43, Juni 2017, S. 10 ff
Foto: (c) Albert Klebel