
„Die Zeichen stehen auf Sturm“
Interview Brigitte Bach | Die Presse
Vereinsvorstand des TU Wien alumni clubs und Präsidentin von „Forschung Austria“, Brigitte Bach, spricht im Interview mit Die Presse über kooperative Forschung, EU-Förderungen und Strategien zur Stärkung von Frauen in Wissenschaft und Technik. Wir freuen uns, dieses inspirierende Gespräch mit Ihnen zu teilen!
„Die Zeichen stehen auf Sturm“
Interview. AIT-Chefin Brigitte Bach über kooperative Forschung, EU-Förderungen und Wege, Frauen zu stärken.
von Alice Senarclens de Grancy
Die Presse: Sie stehen – nach Gabriele Ambros – seit Wochenbeginn als Frau an der Spitze der „Forschung Austria“. Stört es Sie eigentlich, wenn das Geschlecht in diesem Kontext noch immer thematisiert wird?
Brigitte Bach: Nein. Wir haben in der Forschung, insbesondere in der Technik, noch immer zu wenig Frauen. Daher ist es gut, wenn Frauen sichtbar gemacht werden, die an der Spitze von Organisationen oder Forschungsteams stehen. Es ist wichtig, sie vor den Vorhang zu holen, um der Öffentlichkeit Role Models zu präsentieren. Damit gelingt es hoffentlich, mehr junge Mädchen und Frauen für Mint-Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, Anm.) zu motivieren und letztlich mehr weibliche Führungskräfte in diesen Bereichen zu bekommen.
„Forschung Austria“ ist der Dachverband der außeruniversitären, anwendungsorientierten Forschung in Österreich. Was kann ein solches Netzwerk in turbulenten Zeiten wie diesen bewegen?
Es kann, soll und wird eine starke Stimme für die Bedeutung von anwendungsorientierter, industrienaher Forschung sein. Gerade in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten ist Innovation sehr, sehr wichtig und dient dazu, den Wirtschaftsstandort und die Unternehmen zu stärken.
Österreich ist klein, wieso braucht es da einen eigenen Verband? Könnte man nicht gemeinsam mit Universitäten und Fachhochschulen mit lauterer Stimme sprechen?
Wenn man einen Fokus auf die anwendungsorientierte, industrienahe Forschung setzen möchte, ergibt es Sinn, sie zusammenzufassen. Das heißt aber nicht, dass man nicht gemeinsam mit Unis oder anderen Forschungseinrichtungen die Stimme für bestimmte Anliegen erheben kann. Wir haben das im Vorfeld der Nationalratswahlen im Herbst stark gemacht – u. a. mit der Akademie der Wissenschaften und den technischen Unis – und vier Prozent Forschungsquote bis 2030 gefordert. Ein weiterer Wunsch war die längerfristige Sicherstellung der Budgets: dass man über den dreijährigen Rahmen des Forschungsfinanzierungsgesetzes hinaus das Budget sicherstellt. All das findet sich im Regierungsprogramm, was sehr erfreulich ist.
Gibt es noch andere Wünsche? Jetzt, da die neue Regierung endlich steht, hört man vielerlei Appelle.
Es ist ganz wichtig, dass Politik, öffentliche Hand, aber auch Industrie und Forschung zusammen die Bedeutung von Innovation und Technologie aufzeigen. Es geht um Erklärungen für die breite Bevölkerung, was wir tun. Und es geht wieder darum, Junge in die Mint-Fächer und in die Forschung zu holen.
Was brauchte die kooperative Forschung noch, um die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs und Europas zu unterstützen?
Antizyklische Investitionen. Gerade wenn die Industrie Schwierigkeiten hat, muss man in Innovation investieren und nicht Ressourcen abziehen. Das ist eine starke Forderung, die wir gemeinsam erheben werden.
Und Richtung Europa?
Die europäische Forschung ist für ein kleines Land wie Österreich entscheidend. Unser Heimmarkt ist Europa. Es ist ganz wichtig, dort ein starkes Forschungsrahmenprogramm zu haben. Wir haben momentan „Horizon Europe“. Ob und in welcher Form es fortgeführt wird, ist aber unklar. Jetzt beginnt die Diskussion um das nächste Programm: Und da stehen die Zeichen auf Sturm. Da brauchen wir eine starke österreichische Stimme für eine starke europäische Forschung. Das ist unsere Bitte an die neue Bundesregierung.
Da bedarf es noch intensiver Debatten. Apropos: Sie haben mir rund um ihren Amtsantritt als Sprecherin der Geschäftsführung des Austrian Institute of Technology (AIT) gesagt: „In einer Besprechung wird das, was der Mann sagt, in der Regel stärker gehört und zitiert als das, was die Frau sagt.“ Fühlen sie sich ausreichend gehört?
Wir schaffen es, auch mit Unterstützung meines Teams, auf jeden Fall, dem AIT mit meiner Stimme Gehör zu verschaffen. Das gelingt, selbst wenn wir das, was Sie ansprechen, natürlich in vielen alltäglichen Situationen beobachten.
Wie kann man Frauen generell gut unterstützen? Welche Initiativen setzt das AIT, insbesondere, seit Sie in dieser Position sind?
Wir haben ein Gender- und Diversity-Konzept entwickelt, das jetzt in die Umsetzung kommt. Es gab auch vorher Maßnahmen, ein Frauennetzwerk und unterschiedliche Veranstaltungen. Wir versuchen aber nun sehr systematisch, den Lebenszyklus einer Angestellten oder eines Angestellten zu begleiten. Wir beginnen beim Mint-Nachwuchs: Wir machen schulpraktische Tage und beteiligen uns beim Töchtertag. Und wir schauen sehr kritisch auf unseren Recruiting-Prozess: Wie sind wir hier unterwegs? Haben wir hier einen Gender- oder einen Diversity-Bias (Verzerrung, Anm.)? Gelingt es uns, ausreichend junge Frauen anzustellen und zu begeistern?
Und, gelingt es?
Immer mehr. Wir stellen momentan aus dem Feld der Bewerberinnen und Bewerber überproportional mehr Frauen an. Das ist sehr erfreulich. Und dann geht es natürlich weiter: Wie kann man Frauen, wenn sie einmal hier sind, begleiten? Im Sinn von Ausbildungen – wir haben dazu ein Female-Leadership-Programm. Wie kann man intern bei Bewerbungsprozessen sicherstellen, dass wir Frauen im Sinn der Chancengleichheit unterstützen? Ein Dauerbrenner ist das familienfreundliche Unternehmen. Das betrifft nicht nur Frauen, sondern auch Männer. Je mehr Männer sich in der Familienarbeit engagieren, desto mehr Frauen werden wir in höhere Führungspositionen bringen. Zu guter Letzt sind natürlich auch die Kultur und die Kommunikation im Haus ein entscheidender Faktor.
Woran hakt es bei der Umsetzung? Sind es eher strukturelle oder doch kulturelle Aspekte?
In einem Unternehmen mit großteils männlichen Führungskräften fehlen Role Models. Die Kultur ist vor diesem Hintergrund eher männlich geprägt. Es braucht Kommunikation, teilweise Schulung von Führungskräften, um die Aufmerksamkeit zu schärfen. Es braucht eine Kultur, in der es selbstverständlich ist, dass Frauen so selbstbewusst auftreten können wie Männer, dass sie sich das zutrauen und sich auch wertgeschätzt fühlen.
Und strukturell?
Da sind wir gut aufgestellt. Wir haben eine Gender-Taskforce, um die Maßnahmen im Haus gut zu verankern. Wir haben ein Gender Office als Anlaufstelle: Ein Centerleiter unterstützt uns als Gender-Pate in der Kommunikation. Und wir haben eine Gender-Vertrauensperson, falls es schwierige Situationen im Unternehmen gibt: Mobbing, Bossing, Benachteiligungen etc.
Ist der Anteil forschender Frauen gestiegen, seit Sie im Amt sind? Gibt es dazu aktuelle Zahlen?
Ich bin erst seit einem guten Jahr im Amt. 2024 lagen wir bei den Wissenschaftlerinnen bei 25,4 Prozent. Alles, was mit Kultur und mit Strukturwandel zu tun hat, braucht Zeit.
Sie haben mir – ebenfalls im Antrittsinterview – gesagt: „Frauen überlegen dreimal, ob sie etwas schaffen, während der Kollege daneben längst sagt: ,Klar mache ich das.‘“ Haben Sie einen abschließenden Tipp: Was raten Sie Frauen?
Mutig zu sein und selbstbewusst. Viele Frauen sind selbstkritisch. Das kann man nicht ablegen, und man muss sich auch nicht verbiegen. Aber man muss mutiger sein und diese Vorsicht, die man in sich trägt, als Stärke nutzen. Man sieht vielleicht Fallstricke besser, ist vielleicht bedachter, Hindernisse aus dem Weg zu räumen oder Dinge korrekt und vorausschauend zu machen. Das ist alles in Ordnung, aber man muss sich mehr zutrauen – und einfach tun.
Wie haben Sie es selbst geschafft, über Ihren Schatten zu springen?
Indem ich eine klare Vision für mich habe und einen klaren Willen: Ich möchte gestalten. Ich möchte dazu beitragen, dass die Welt ein Stückchen besser wird – in dem Bereich, in dem ich es kann. Ich habe mich mein Leben lang an der Schnittstelle zwischen Innovation und Wirtschaft bewegt. Hier will ich Grenzen verschieben, manches weiterentwickeln und Österreich und Europa mit unserer Innovationskraft stärken.
Zur Person
Brigitte Bach (59) ist – nach Stationen bei Wien Energie und Salzburg AG – seit Oktober 2023 Sprecherin der Dreier-Geschäftsführung des Austrian Institute of Technology (AIT). Die technische Physikerin und Astronomin wurde am 3. März zur Präsidentin des Dachverbands „Forschung Austria“ gewählt.
Quelle:
„Die Presse“ vom 08.03.2025 Seite: 36
Ressort: Wissen & Innovation
Alice Senarclens de Grancy
Österreich, Wien
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