Kohlendioxid als Legobaustein für die Nachhaltigkeit

Kohlendioxid als Legobaustein für die Nachhaltigkeit

Seit über zehn Jahren forscht Katharina Schröder am Institut für Angewandte Synthesechemie an nachhaltiger Chemie. Mit ihrer Forschungsgruppe entwickelt sie unter anderem nachhaltige Syntheseverfahren zur Herstellung von wertvollen Produkten aus überschüssigem Kohlendioxid. 2019 wurde sie dafür mit dem hochdotierten ERC Consolidator Grant ausgezeichnet. Dem TUWac hat sie erzählt, was nachhaltige Chemie für sie bedeutet, welche Produkte sie aus CO2 gewinnen möchte und wie die organische Synthesechemie umweltfreundlicher werden kann.

 

TUWac: Die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind aktueller denn je – sie beschäftigen sich schon seit ihrer Promotion im Jahr 2006 mit nachhaltiger Chemie. Was hat sie dazu gebracht, sich diesem Thema zuzuwenden?

Schröder: Aus dem Bereich der organischen Chemie kommend, wurden zunehmend zeitgemäße Themen und Problemstellungen der modernen Chemie interessant. Nachhaltige Chemie als breites und interdisziplinäres Anwendungsgebiet, erlaubt es mir, in unterschiedliche Richtungen über den Tellerrand zu schauen und Lösungen für aktuelle Probleme zu finden. Seit Mai habe ich auch eine Professur mit dem Titel „Nachhaltige Chemie“ inne, bei der ich die Themen Nachhaltigkeit und Green Chemistry im Chemiestudium deutlich früher und stärker verankern möchte, um frühzeitig das Bewusstsein zu stärken und das Interesse zu wecken.

 

Wie kann Synthesechemie nachhaltig sein?

Es gibt viele Ansätze beispielsweise die zwölf Prinzipien der Green Chemistry. Dabei handelt es sich um eine Richtlinie, wie Chemie nachhaltig und umweltfreundlicher gestaltet werden kann. Ein Schwerpunkt davon ist das Einsparen von Lösungsmitteln. Gerade im Bereich der Feinchemikalien und der pharmazeutischen Chemie ist der Großteil der Abfallprodukte toxisches Lösungsmittel. Hier herrscht aktuell ein Umdenken, wie man Lösungsmittelmengen reduzieren oder durch nachhaltigere Alternativen ersetzen kann. Aber auch die Nutzung nachwachsender Rohstoffe oder die Erhöhung der Atomökonomie durch katalytische Strategien sind wesentliche Gesichtspunkte zur Nachhaltigkeit von Reaktionen. Dazu forschen wir am Institut für Angewandte Synthesechemie, um neue Katalyseprozesse möglich zu machen.

 

Seit Jänner läuft ihr Forschungsprojekt „Carboflow“. Sie möchten überschüssiges Kohlendioxid verwerten, indem sie es in Kohlenmonoxid umwandeln. Warum unbedingt Kohlenmonoxid und wie komplex kann man sich diesen Prozess vorstellen?

Kohlenmonoxid ist der Legobaustein, aus dem eigentlich alle Chemikalien hergestellt werden, die wir kennen. Das Problem mit Kohlenmonoxid ist aber nicht nur, dass es aus fossilen Quellen stammt, sondern dass es hochgiftig ist. Es wäre also attraktiv, dieses Molekül durch etwas zu ersetzen, das nicht nur ungiftig ist, sondern auch in rauen Mengen verfügbar ist: CO2!

Katalyseprozess im Projekt „Carboflow“

Leider ist Kohlendioxid im Gegensatz zu Kohlenmonoxid ein sehr reaktionsträges Ausgangsmaterial. Das kennt man aus dem Alltag, wenn es brennt: Das CO2 in Feuerlöschern erstickt den Brand. Dadurch hat man auch viel weniger Möglichkeiten, etwas aus dem Molekül herzustellen. Um es überhaupt zur Reaktion zu bringen, muss es zuvor katalytisch aktiviert werden. Dafür sind entweder extrem hohe Temperaturen, enormer Druck oder zumindest sehr effiziente Katalysatoren notwendig. Und selbst dann bleibt die Produktpalette derzeit eher beschränkt.

Bei unserem Projekt „Carboflow“ wollen wir das Kohlendioxid mit Hilfe von Licht zu Kohlenmonoxid reduzieren. Wir machen uns, bei der sogenannten Fotokatalyse, den Einfluss des Sonnenlichts zunutze und können das entstandene Kohlenmonoxid sofort umsetzen. Mit diesem Trick kann das Kohlendioxid in einer Vielzahl von Produkten verwertet werden, ohne jemals mit dem giftigen und aus fossilen Quellen stammenden Kohlenmonoxid in Kontakt zu kommen.

 

Kann man diesen Prozess mit der Photosynthese in der Natur vergleichen?

Genau, allerdings ist der Prozess in der Natur vorbildhaft. In der Natur wird das Kohlendioxid mit Hilfe von Licht und natürlichen Katalysatoren in der klassischen Photosynthese in Zucker umgewandelt. Das ist eine relativ komplexe und beeindruckende Reaktion, die wir im Labor nicht so leicht nachbauen können. Da ist uns die Natur um einiges voraus.

 

In Island verwandelt man inzwischen sehr erfolgreich CO2 in Methanol, welches als Treibstoff für Autos oder Flugzeuge verwendet werden kann. Was halten Sie von dieser Art von CO2-Verwertung?

Ja, das ist das klassische Beispiel. Die Reduktion zu Methanol ist tatsächlich eine der Reaktionen, die industriell bereits sehr gut funktioniert. Methanol wird in Island im Multitonnen-Maßstab produziert, setzt zugleich aber auch einen ordentlichen Energieaufwand voraus. Ein weiteres Problem bei Methanol ist, dass es sich dabei um eine der billigsten Grundchemikalien handelt. Es ist daher relativ schwer, Methanol kosteneffizient herzustellen. Wir interessieren uns eher für die höherwertigen, komplexeren Moleküle, die in unterschiedlichen Bereichen der Industrie benötigt werden.

 

Und welche wertvollen Produkte wollen Sie aus CO2 gewinnen?

Das Schöne an dem Trick mit dem Kohlenmonoxid ist, dass eine sehr große Vielfalt an Produkten hergestellt werden kann. Im Prinzip lässt sich aus Kohlenmonoxid alles herstellen, wo eine CO-Doppelbindung vorkommt. Damit deckt man die gesamte Palette an Grundlagen-, Fein- und Plattformchemikalien, wie etwa Carbonsäuren, Aldehyde oder Amide, ab.

Carbonsäuren, Aldehyde und Amide sind Bausteine, die in der Pharma-, Agro- bis hin zur Kunststoffindustrie zum Einsatz kommen.

 

Inwiefern sehen Sie die nachhaltige Chemie in der Macht, um etwas gegen den Klimawandel zu tun?

Eines muss man klar sagen: Selbst, wenn die gesamte chemische Industrie von Erdöl auf CO2 als Ausgangsmaterial umsteigen würde, dann würde das an dem Problem der globalen CO2-Emmission und dem Anstieg noch nichts ändern. Ein Großteil des CO2 kommt aus dem Verkehrssektor und anderen unterschiedlichen Zweigen der Industrie, die den CO2-Ausstoß viel mehr beeinflussen.

Man muss ehrlich sein, die CO2-Problematik wird man damit nicht lösen können. Aber ich denke mir, es ist zumindest ein guter Ansatz, auf Quellen zurückzugreifen, die im Überschuss da sind, anstatt auf fossile Quellen zurückzugreifen, die das Problem nur weiter verschlimmern werden. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Viele Probleme der Nachhaltigkeit werden nicht in einem Schritt zu lösen sein, sondern einen step-by-step Prozess erfordern.

 

Welche Tipps möchten Sie jungen Chemiker:innen mit auf den Weg geben, die auch einen nachhaltigen Weg einschlagen wollen?

Mein Tipp ist es, neugierig und kreativ zu sein und über den Tellerrand von spezifischen Fachrichtungen zu schauen. Die schönsten Projekte und Ideen kommen durch Kooperationen und interdisziplinäre Projekte zustande, wo man sich nicht von den klassischen Sparten der Chemie einschränken lässt.

 

 

Katharina Schröder studierte an der TU Wien, wo sie 2006 auch promovierte. Danach forschte sie am Queen’s University Ionic Liquid Laboratory (QUILL) in Belfast (UK). 2009 wechselte sie an das Centre for Catalysis and Sustainable Chemistry an der Technischen Universität Dänemark.

2010 kehrte sie an die TU Wien zurück, wo wie seither ihre eigene Forschungsgruppe aufgebaut hat und an grüner, nachhaltiger Chemie forscht.

 


Nähere Infos zum Projekt: CARBOFLOW

Sandra Spicker, 11. Mai 2021